Übersicht und Beschreibung der Theorien zum aufrechten Gang (Bipedie) des Menschen

Ziel dieser Seite ist es sowohl eine Übersicht als auch eine Beschreibung der heute bekannten Theorien und Hypothesen zur Entstehung der sogenannten Bipedie des Menschen zu liefern. Dabei werden die Inhalte weitestgehend dargelegt und für weiterführende Details auf entsprechende Quellen verwiesen.


  1. Savannen-Hypothese
  2. Ufer-Hypothese
  3. Kühler-Hypothese
  4. Theorie der ursprünglichen Zweibeinigkeit
  5. Theorie der bewussten Evolution
  6. "Phallic-Display"-Hypothese
  7. Nahrungsmittel-Transport Hypothese
  8. Energie-Effizienz-Hypothese
  9. Multiple-Faktoren-Hypothese
  10. Aufrechter Gang auf Bämen


Savannen-Hypothese

Der aufrechte Gang wurde durch den Wechsel von einer dichten Baumlandschaft zu Savannenartigen Gebieten begünstigt.

Eine der bekanntesten Hypothesen stellt die Savannen-Hypothese dar. Man kann heute annehmen, dass unsere Vorfahren in dichten Wäldern lebten. Da dies heute größtenteils nicht mehr der Fall ist, kann davon ausgegangen werden, dass es eine Übergangsphase gegeben haben muss, welche zu anderen Lebensumständen unserer Vorfahren führte. Ob wir selbst aus dichten Wäldern in Savannen-artige Gebiete zogen oder unsere Wälder einfach dazu wurden ist für den Kern dieser Hypothese nicht von Belang.

Es wird dargestellt, dass ein Ur-Mensch, welcher vierbeinig durch die Savanne geht einen selektiven Nachteil hat, denn er kann weniger "sehen" als ein auf zwei Beinen gehender Kollege, welcher dadurch einen Überblick über die Savanne gewinnt. Dadurch gelangt der aufrecht gehende einen evolutionsbiologischen Vorteil.

Für diese Hypothese spricht die bereits erwähnte Tatsache, dass es sehr wahrscheinlich ist, dass es eine Art "Savannen-Zeit" der Menschheit gegeben hat. Zweifel bestehen hingegen darüber, ob die Savannen-Zeit tatsächlich mit der Zeit des Aufkommens der Bipedie des Menschen zusammenfällt. Als ein weiterer Schwachpunkt könnte die Tatsache angesehen werden, dass der hier beschriebene Vorteil recht strenge Bedingungen für die Savanne aufstellt: Um einen besseren Überblick beim aufrechten Gang zu erhalten dürfen die Sträucher der Savanne nicht höher als die Augenhöhe des damaligen Menschen gewesen sein. Auch für die Mindestgröße dieser Vegetation folgt, dass sie größer sein musste als die Augenhöhe des damals auf vier Beinen gehenden Menschen, ansonsten erwächst aus dem aufrechten Gang ebenfalls kein Vorteil. Ob trotz dieser relativ strengen Randbedingungen für die Savanne ein so schwerwiegender Vorteil durch den aufrechten Gang wirklich auszumachen ist, der einen Selektionsvorteil begründet, kann schlussendlich weder bestätigt noch verneint werden. Weiterführende Details findet man in [1] und den dortigen Referenzen.



Ufer-Hypothese

Wir gehen aufrecht weil unsere Vorfahren durch Flüsse oder Ufer waten mussten.

Die Ufer-Hypothese oder auch Wasseraffen-Theorie (engl. aquatic ape) ist der Savannen-Hypothese nicht ganz unähnlich, geht sie doch von einer Verschiebung oder zumindest Veränderung des Lebensraumes hin zu Ufern von Gewässern oder Flüssen aus. Dass unsere Vorfahren die Nähe zu Gewässern gesucht haben ist ebenfalls sehr wahrscheinlich. Der evolutionsbiologische Vorteil begründet sich dahingehend, dass zur Fortbewegung durch einen Fluss oder am Ufer eines Sees der aufrechte Gang verständlicherweise vorteilhaft gewesen sein soll, insbesondere im Hinblick auf das Fischen oder auch zur Überquerung von Flüssen.

Ein Schwachpunkte dieser Theorie ist dem der Savannen-Hypothese recht ähnlich: Es entstehen genaue Randbedingungen an die Wassertiefe, sie muss also tiefer sein als etwa die Kopfhöhe unseres vierbeinigen Vorfahren und seichter sein als die Kopfhöhe der entsprechend aufgerichteten Stellung. Alle anderen Wassertiefen führen zu keinem Vorteil des aufrechten Ganges. Auch schon Brust-tiefe Gewässer würden eher ein Schwimmen implizieren als eine Fortbewegung, welche unserem heutigen aufrechten Gang ähnelt.

Die Wasseraffen-Theorie geht jedoch noch deutlich weiter als lediglich den aufrechten Gang erklären zu wollen. Hilfreich ist der Wikipedia Artikel [2] oder ausführlicher hier [3].



Kühler-Hypothese

Wir gehen aufrecht weil unsere Vorfahren bei hohem Sonnenstand ihre Körpertemperatur niedrig halten mussten.

Geht man davon aus, dass der Ursprung der Menschheit in Afrika liegt und evtl. auch in der Nähe des Äquators, dann stand bei unseren Vorfahren mittags die Sonne im Zenit. Ein auf vier Beinen gehender Vorvahre bot der Sonne mehr Fläche als ein aufrecht gehender. Gleichzeitig bietet ein aufrecht gehender Mensch mehr Angriffsfläche einem kühlenden Wind gegenüber.

Die Schwachpunkte dieser Hypothese bestehen dahingehend, dass dieser Umstand lediglich in der Nähe des Äquators besteht und dann auch nur mittags. Zudem scheint der Selektionsvorteil eher vage. Literatur hierzu liegt größtenteils auf englisch vor, z.B. [4].



Theorie der ursprünglichen Zweibeinigkeit

Der Mensch ging seit jeher aufrecht; es hat nie einen Übergang zur Zweibeinigkeit gegeben.

Diese Theorie umgeht die Fragestellung nach dem Grund des aufrechten Ganges durch das Postulat, dass eine Übergangsphase vom vier- zum zwei-beinigen Lauf nie existierte. Hauptargument dieser Theorie ist die Tatsache, dass junge Schimpansen eine Kopfform aufweisen, welcher unserer ähnlich sieht. Aufgrund der biogenetischen Grundregel (von Ernst Haeckel) folgt daraus tatsächlich, dass die Urform der Schimpansen einen runden Schädel hat. Da wir Menschen diesen ebenfalls und immer noch haben bedeutet dies zumindest, dass aus der Vierbeinigkeit der heutigen Menschenaffen nicht auf eine vierbeinige Fortbewegung unserer Vorfahren geschlossen werden kann.

Die These, dass Menschen von Affenartigen Wesen abstammten, welche die Bäume bewohnten geht bereits auf Darwin zurück. Die Theorie der initialen Zweibeinigkeit stellt dies in Frage. Jedoch betrifft dies nicht nur die Phase des vierbeinigen Ganges. Diese Theorie geht viel weiter und lehnt auch die Existenz einer Baum-Phase unserer Vorfahren ab. Nach diesem Verständnis entwickelten sich die heutigen Affen eher aus unseren Vorfahren als umgekehrt: Sie mussten das laufen auf vier Beinen und das Klettern auf Bäumen erst erlernen [5].



Theorie der bewussten Evolution

Das Aufkommen des aufrechten Ganges war ein bewusster Akt, wurde durch Erziehung weitergegeben und war grundlos.

Diese Theorie spielt insofern zwei Sonderrollen, als dass sie zum einen keinen Vorteil des aufrechten Ganges ausweist. Die ursprüngliche Idee geht auf Richard Dawkins zurück, der vorschlug, dass die Bipedie als reine Mode aufkam, so wie Moden eben aufkommen und anschließend "kopiert" und weitergeführt wurde ([6]).

Zum anderen wurde erst kürzlich (2017) unabhängig von den Fragestellungen zum aufrechten Gang eine Theorie der Ursprünge des Lachens und des Humors aufgestellt, welche die Umstände des aufrechten Ganges quasi als Konsequenz enthält, welches die nächste Sonderrolle darstellt, denn diese Theorie des aufrechten Ganges benutzt keine eigenen Hypothesen. Ausführlich zu finden in [7]. Die teilweise abstrakten Zusammenhänge führen zu folgendem Bild: Das Aufkommen des aufrechten Ganges war ein bewusster Akt und hatte keinen überlebensnotwendigen Grund. Ein unbewusstes zurückfallen in den vierfüßigen Gang war somit möglich wobei derjenige dann von der Gruppe durch Gelächter darauf aufmerksam gemacht wurde. Es war sozusagen der Ur-Witz der Menschheit.

Trotz der größtenteils nachvollziehbaren (aber relativ abstrakten) Argumentation ergibt sich ein Schwachpunkt dahingehend, dass der beschriebene Prozess nicht mit unserem heute gängigen Evolutionsverständnis vereinbar ist, welches in erster Linie auf Mutation und (anschließender) natürlicher Selektion beruht. Vielmehr wird gezeigt, dass (ähnlich Lamarck) die Wirkung der Gewohnheit zu Abänderungen führt, und dass Gewohnheit widerum durch einen bewussten Akt eingeleitet wird. Viele Beobachtungen können mit diesem Modell erklärt werden, jedoch bestehen wie bereits erwähnt Widersprüche zum heute angenommenen Evolutionsverständnis. Zu den Details dieses Evolutionsmodells siehe ebenfalls [7].



"Phallic-Display"-Hypothese

Männer gingen aufrecht um Ihren Penis zu zeigen

Dieser Hypothese folgend ging der aufrechte Gang überwiegend von Männern aus, welche aufrecht gingen um Ihren Penis Frauen gegenüber besser präsentieren zu können. Ein Überlebensvorteil ergibt sich durch sexuelle Selektion mit dem Argument, dass Frauen jene Männer zur Paarung bevorzugten.

Die Frage, wie sich dieses Merkmal schliesslich auf Frauen übertrug stellt einen Schwachpunkt dar, ebenso die generelle Nachvollziehbarkeit des Argumentes, dass dieses Verhalten einen Vorteil bei der Partnerwahl darstellte [8].



Nahrungsmittel-Transport Hypothese

Unsere Vorfahren gingen aufrecht, um in den Händen Nahrung transportieren zu können

Diese Hypothese ist stellvertretend für eine ganze Reihe von Hypothesen zu sehen, in denen dargelegt wird, dass der Transport von Gegenständen unsere Vorfahren dazu brachte aufrecht zu gehen. Da man jedoch von weitestgehend primitiven Lebensverhfätnissen zur damaligen Zeit ausgehen kann liegt es nahe anzunehmen, dass die besagten Gegenstfände Nahrungsmittel waren. Denkbar und auch diskutiert wurde das Tragen der Nachkommen bei gleichzeitiger Fortbewegung.

Eine Sonderrolle spielt bei dieser Hypothesen-Familie das Tragen bzw. Handhaben von Waffen. Sollten Waffen zu der betrachteten Zeit bereits existiert haben, dann stellt die Handhabung derer bei gleichzeitig möglicher Fortbewegung unbestreitbar einen großen Vorteil dar. Allerdings weist vieles darauf hin, dass der aufrechte Gang deutlich älter ist als das aufkommen der ersten Waffen bzw. Werkzeuge wie dem Faustkeil. Es blieben lediglich einfache Steine oder auch Äste als Waffen.

Verwandt ist diese Hypothese mit der Nahrungsmittel-Beschaffungs-Hypothese, welche besagt, dass in erster Linie unsere männlichen Vorfahren fouragierten, während sich die weiblichen um die Kinder kümmerten [9].

Es ist schwierig Gegenargumente gegen diese Hypothese(n) zu finden, da evolutionsbiologische Vorteile buchstäblich auf der Hand liegen. Genauso schwierig ist es jedoch, wie bei den meisten anderen Theorien, Belege irgendwelcher Art auszumachen.



Energie-Effizienz-Hypothese

Der aufrechte Gang kostete weniger Energie als der vierbeinige.

Diese Hypothese besagt, dass der damalige zweibeinige Gang energetisch effizienter war als der vierbeinige. Gefolgert wurde dies aus Untersuchungen zum Metabolismus heutiger Menschenaffen (z.B. Schimpansen) beim aufrechten Gang, wobei in erster Linie eine eher langsame Fortbewegung über lange Strecken betrachtet wird [10]. Sowohl die Nachvollziehbarkeit als auch Belegbarkeit scheint hierbei eher schwierig.



Annahme multipler Faktoren

Ein Grund allein kann nicht ursächlich für den aufrechten Gang sein.

Diese Hypothese nennt keine eigenen Gründe für unsere Zweibeinigkeit, sondern schlägt vor, dass es eine Kombination aus mehreren Ursachen (z.B. Nahrungsmitteltransport und bessere Sicht) war. Argumentiert wird mit der Analogie der heute lebenden Menschenaffen: Der dort zuweilen vorkommende aufrechte Gang ist nicht monokausal, man kann beobachten, dass er aus unterschiedlichen Gründen heraus gemacht wird [11].



Aufrechter Gang auf Bäumen

Unsere Vorfahren gingen bereits auf den Bäumen aufrecht.

Schnell zusammengefasst ist auch diese Hypothese, welche besagt, dass unsere Vorfahren bereis auf den Bäumen aufrecht gingen. Beobachtet wird dies heute bei Orang Utans, welche dies zeitweise tun um an höhere Äste oder Früchte oder dergleichen zu gelangen [12].